PHILOSOPHIE
Lektion

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Die Epikureer (4): Wegbereiter des Humanismus

Friedrich Nietzsches  Epikur - Rezeption 

Planet Mars
Der Garten als Ort der Philosophie

"Der Reichste an Lebensfülle, der dionysische Gott und Mensch, kann sich nicht nur den Anblick des Fürchterlichen und Fragwürdigen gönnen, sondern selbst die fürchterliche That und jeden Luxus von Zerstörung, Zersetzung, Verneinung; bei ihm erscheint das Böse, Unsinnige und Hässliche gleichsam erlaubt, in Folge eines Ueberschusses von zeugenden, befruchtenden Kräften, welcher aus jeder Wüste noch ein üppiges Fruchtland zu schaffen im Stande ist. Umgekehrt würde der Leidenste, Lebensärmste am meistendie Milde, Friedlichkeit, Güte nöthig haben, im Denken und im Handeln, womöglich einen Gott, der ganz eigentlich ein Gott für Kranke ein 'Heiland' wäre; ebenso auch die Logik, die begriffliche Verständlichkeit des Daseins - denn die Logik beruhigt, giebt vertrauen -, kurz eine gewisse warme, furchtabwehrende Enge und Einschließung in optimistische Horizonte. Dergestalt lernte ich allmählich Epikur begreifen..."
Zitat aus: Die fröhliche Wissenschaft, Fünftes Buch 370 (1882).

Die Philosophie der Schwachen 

Epikur
Friedrich Nietzsche
Raffael Sokrates
Epikur - Wegbereiter der modernen Menschenrechte

Epikur hat den Gleichrang aller Menschen in seiner Schule gelehrt und gelebt - und dies auf rein diesseitiger Fundierung. Die Existenz der Götter hat er zwar nicht bestritten, wohl aber war er davon überzeugt, dass die menschlichen Angelegenheiten von den Menschen selbst abgewogen und geregelt werden müssen - frei von Affekten und der irrationalen Furcht vor den Göttern.

Nietzsches radikale, polemische Gegenüberstellung des Starken, Gewälttätigen und Lebensfreudigen auf der einen und des Schwachen, Friedfertigen und Lebensarmen auf der anderen Seite beschreibt die epikureische Maxime des zurückhaltenden Strebens nach der Meersruhe der Seele durchaus zutreffend. Nietzsche beschuldigte Epikur ebenso wie Sokrates und das Christentum, dem Menschen durch Erziehung und Vernunft zu einer "zweiten Natur" verholfen zu haben. Epikur hätte den Übergang des Menschen von der ursprünglichen "wilden" und zweiten "zahmen" Natur wohl als Ziel seiner Philosophie gut geheißen.  
Nietzsches herausfordernde, pathetische Überhöhung von Gewalt, Exzess und Maßlosigkeit endete schließlich im Gegenteil der geistigen Umnachtung. Seine letzten Lebensjahre nach dem Zusammenbruch von 1889 in Turin verbrachte er nicht nur im selbstquälerischen Wahn, sondern auch in Apathie. Letzterer Zustand, im Deutschen am besten mit Leidenschaftslosigkeit übersetzt, ist in der epikureischen wie in der stoischen Schule keine Krankheit, sondern eine Medizin gegen die Unruhe der Seele.

Der Epikureismus erobert die Neuzeit

(1) Lebe verborgen
(2) Lust und Maß
(3) Götter und Tod
(4) Stoa und Humanismus
Epikur in der Schule von Athen
Der Garten als Mikrokosmos

Die Rezeption Epikurs erreicht einen neuzeitlichen Höhepunkt bei David Hume (1711 - 1776). Obgleich schottischer Herkunft gilt er als der bedeutendste Philosoph der englischen Aufklärung. Hume ist wie Epikur nicht nur skeptisch gegenüber metaphysischen Weltdeutungen, er misstraut prinzipiell jeder philosophisch begründeten Moral. Nach Hume beruht der respektvolle Umgang unter Menschen nicht auf einem philosophischen Erkenntnisprozess, sondern ist das Ergebnis einer gelebten Kultivierung. Eine Renaissance erlebt Hume im 20. Jahrhundert durch den amerikanischen Philosophen Richard Rorty (1931 - 2007). Die Ausprägung der modernen Kultur der Menschenrechte führt Rorty auf zwei Faktoren zurück: Den gestiegenen Wohlstand und die durch Erziehung, Bildung und Medien gewachsene Möglichkeit, die Gefühle der Menschen in anderen Ländern zu verstehen und mit ihnen sympathisch zu werden. Hier zeigt sich eine Kontinuität von der Schule des Gartens des 3. vorchristlichen Jahrhunderts bis in unsere Zeit. Denn Sympathie und Freundschaft zwischen den Schülerinnen und Schülern stehen am Beginn der epikureischen Lebensgemeinschaft.

Die Epikureer (4): Wegbereiter des Humanismus